Im Essener Innenstadtgebiet liegt der Markt mit der evangel. Kirche, ehemals St. Gertrudis. Rings um das Gotteshaus breitet sich eine von Häusern z.T. seit Jhd. unbebaute Freifläche. Diese Tatsache läßt erwarten, daß die im Untergrund des Bodens hinterlassenen archäologischen Relikte aus alter Zeit weitgehend unversehrt blieben. Zu erwarten sind Hausfundamente, Grubenfüllungen und Kulturschichten, die im Verlauf der Essener Geschichte im Bereich des Marktplatzes entstanden.

Da der archäologische interessante Untergrund der Stadt durch Luftangriffe im 2. Weltkrieg und durch die anschließenden tief in den Boden greifenden Baumaßnahmen bis in die heutige Zeit weitgehend ausgeräumt ist, kommt der im Marktbereich erhaltenen Restfläche ein hoher archäologischer Quellenwert für die Geschichte der Stadt zu.

Der Markt, erstmals im Jahre 1041 urkundlich erwähnt, entstand außerhalb der Stiftsimmunität. Man wählte eine lagegünstige Stelle nördlich außerhalb, wo der Hellweg von Westen kommend sich in nördliche Richtung wandte. Der Hellweg war wohl die bedeutendste ost-west verlaufende Fernhandelsstraße Mitteleuropas im Mittelalter. Händler und Kaufleute, ursprünglich den fahrenden Leuten zugehörig, ließen sich hier zu dieser Zeit seßhaft nieder. Auf dem Marktplatz entstand 1054 als ältester Vorgängerbau der heutigen Kirche die Kapelle St. Gertrudis. Sie war der Schutzpatronin der Händler und der fahrenden Leute geweiht.

Die ältere stadtgeschichtliche Literatur betont, daß die früheste Essener Münze, ein Silberpfennig, bereits aus der Regierungszeit Kaiser Konrads II. (1024-1039) stammt. Aus diesem Hinweis wie auch aus parallelen Entwicklungen in anderen Städten entstand die Vorstellung, der Essener Urkundenbestand sei nur unvollständig überliefert und man müsse sich für das damalige Essen ein Marktrecht vorstellen, das zugleich auch verbunden war mit dem Zoll- und dem Münzrecht. Neben anderen Waren wurde hier auch mit Pelzen aus dem Osten und Tuchen aus dem Westen gehandelt.

Der Markt stand unter dem Schutz des Königs, aber auch das Stift hatte ein lebhaftes Interesse am Blühen des Marktes. Es tauschte hier seine Naturalieneinnahmen in Waren bzw. in bare Münze ein. Die Händler und Kaufleute hatten wegen ihrer besonderen Rolle im Wirtschaftsleben einen eigenen Rechtsstatus.

Aus dieser frühen Zeit können Bodenfunde und Fundamentreste besonders im Bereich der heutigen Marktkirche und ihrer Vorgängerbauten erwartet werden. Rings um die Kirche standen die Marktbuden, sog. Gädeme. Zwar verweist die jüngere historische Forschung darauf, daß die Urkunden lediglich von Jahrmärkten unter dem Schutz des Königs berichten und daß solche Märkte nach Ablauf der gewährten Markttage wieder abgeräumt wurden, doch haben archäologische Ausgrabungen auf dem Marktplatz von Wesel gezeigt, daß dieses Abräumen nicht besonders gründlich war. Man fand in Wesel Laufhorizonte und Spuren eines Grubenhauses aus dem 10. und 11. Jhd., dazu Hinterlassenschaften von Lederverarbeitung und das Marktplatzpflaster aus der Zeit um 1200. Eine ausgedehnte mittelalterliche Hausbebauung im Untergrund des Weseler Marktes konnte ebenfalls nachgewiesen werden. Aus diesen Gründen muß erwartet werden, daß sich auch in der Umgebung der Essener Marktkirche vergleichbares erhalten hat. Zu erwarten sind neben ähnlichen Funden wie in Wesel vor allem Fundamente des im 15. Jhd. neugestalteten Kirchengebäudes und der mittelalterlichen Häuser nördlich und östlich der Kirche. Der Geometer Heyden hat diese Situation in seinem Stadtplan von 1823 eingetragen.

Im Umfeld des alten Grundrisses müssen die Fundamente weiterer urkundlich nachgewiesener Bauten liegen. Dazu gehören die Stadtwaage an der Turmseite (westl.), die Flachs- und Wollenwaagen an der Nordseite, der Tabernakel an der Südseite und der Anbau der Küsterwohnung von 1399. Zugehörige Gewölbekeller sind unter dem südlichen Vorplatz erhalten. Die mittelalterliche Kirche wurde im Luftangriff 1943 zerstört und 1952 ohne den Westturm auf kleinerem Grundriß wiedererrichtet.

Das Beispiel der Weseler Ausgrabungen zeigt, daß auch auf dem Essener Marktplatz gut begründete Aussichten auf erfolgreiche archäologische Ausgrabungen bestehen. Das recht lückenhafte und z.T. widersprüchliche Bild von der Geschichte des Essener Marktes und seiner Rolle in der Stadtwerdung Essens, wie die Urkunden es entstehen ließen, bot Gelegenheit zu den oben angerissenen unterschiedlichen Deutungen. Das zu erwartende Ausgrabungsergebnis wird hier zumindest weitere Informationen und Details beitragen, möglicherweise aber auch wie in Wesel Hinweise Hinweise auf das wahre Alter des Marktes, auf die umgeschlagenen Waren oder auf seine innere Gliederung nach Handwerken bzw. Warenarten geben. Die Urkunden könnten so in neuem Licht erscheinen, und die Geschichtsschreibung der Stadt erhielte eine zusätzliche Grundlage.

Der Bereich der Marktkirche und des Essener Marktes erfüllt die Voraussetzungen des § 2 DSchG zum Eintrag als ortsfestes Bodendenkmäler in die Liste der Denkmäler. Für seine Erhaltung sprechen die o.g. wissenschaftlichen Gründe. Somit liegt ein öffentliches Interesse vor.

(aus: Denkmalliste der Stadt Essen, Stand: 01.02.2001)